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Eine neue Seekuh im Tiergarten

Im Tiergarten gibt es eine neue Seekuh: Vergangene Woche ist das junge Weibchen Lettice aus dem Wroclawer Zoo in Polen zu der Nürnberger Gruppe gekommen, die nun insgesamt vier Tiere umfasst.

Rundschwanzseekühe – auch Manatis (Trichechus manatus) genannt – werden von der Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdete Art gelistet. Der Tiergarten Nürnberg koordiniert das Erhaltungszuchtprogramm EEP des Europäischen Zooverbandes EAZA für Manatis. Lettice ist im September 2020 im Zoo in Wroclaw geboren.

Ein auf Zootiertransporte spezialisiertes Unternehmen hat Lettice in einer eigens für Seekühe konzipierten Kiste von Wroclaw nach Nürnberg gefahren. Die Tierärztin des Tiergartens, Katrin Baumgartner, die Tierpflegerin Sophie Winterhalter und der Tierpfleger Armin Fritz haben die Seekuh auf dem Weg begleitet und ihren Zustand überwacht.

Die Kiste war so hoch mit etwa 27 Grad Celsius warmem Wasser gefüllt, dass Lettice sich gut darin bewegen konnte und es ihr nicht zu kalt wurde. Zu diesem Zweck war auch der Innenraum des Transporters beheizt.

Gleich nach ihrer Ankunft haben Tiergartentechniker Lettice in ihrer Kiste mit einem Gabelstapler ins Manatihaus gebracht. Dort haben die Kolleginnen und Kollegen der Tierpflege und Tiermedizin mit angepackt, um sie aus der Transportkiste in den sogenannten Medpool gleiten zu lassen. Der Medpool ist ein abgrenzbarer Bereich im Becken des Manatihauses, in dem Mitarbeitende die Tiere beobachten und sie auch behandeln können, wenn sie krank sind.

Zusammenführung der Gruppe


Nach einer ersten Kontrolle des Verhaltens im Medpool konnte Lettice zu den drei anderen Manatis – dem 29-jährigen Weibchen Mara und den 9 und 19 Jahre alten Männchen Mandillo und Zorro – schwimmen. „Wir sind froh, dass Lettice gut angekommen ist und dass sie schon nach wenigen Minuten erstes Futter aus der Hand ihrer neuen Bezugspersonen genommen hat“, sagte Sophie Winterhalter.

„Wir freuen uns sehr, dass wir mit Lettice nun ein weiteres Manati-Weibchen in unserer Gruppe haben“, sagt der Kurator für Artenschutz und Forschung des Tiergartens Nürnberg, Lorenzo von Fersen. „Und wir hoffen, dass unsere Manatis bald Nachwuchs bekommen.“

Von Fersen ist Koordinator des seit 2007 bestehenden Erhaltungszuchtprogrammes EEP des Europäischen Zooverbandes (EAZA Ex-situ Programme) für Manatis. In den EEPs werden eine zunehmende Anzahl gefährdeter Tierarten koordiniert und wissenschaftlich basiert gezüchtet, um stabile und gesunde Reservepopulationen außerhalb des natürlichen Lebensraums der Tiere zu erhalten. Das EEP für Manatis umfasst derzeit 57 Tiere, die in zwölf Zoos leben.

In der Natur gelten Manatis laut Weltnaturschutzunion IUCN als gefährdet. Je nach Verbreitungsgebiet sehen die Gefahren für die Tiere anders aus, aber immer haben sie mit Menschen zu tun: In den Küstengebieten von Florida verursachen die Schiffsschrauben von Motorboten häufig schwere Verletzungen bei Manatis, die nicht schnell genug ausweichen können. An der Küste Venezuelas werden die Tiere nicht nachhaltig gejagt und in Brasilien zehrt der massive Ausbau der Küsteninfrastruktur an ihrer Lebensgrundlage.

Der Tiergarten Nürnberg und die ihm angegliederte Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha e.V. unterstützen seit sieben Jahren die Nichtregierungsorganisation Proyecto Sotalia, die sich in Venezuela mit wissenschaftlichen Populationserhebungen und Bildungsarbeit mit der Bevölkerung für den Schutz der Manatis einsetzt.

Forschung für Artenschutz


Auch in Nürnberg leistet die Tiergarten-eigene Forschungsabteilung einen Beitrag zum Schutz der Manatis, indem sie gemeinsam mit Partnern verschiedene Forschungsprojekte mit den hier lebenden Tieren durchführt. Dabei geht es insbesondere um verhaltensbiologische Beobachtungen und Forschung zur Bioakustik.

Zum Beispiel haben Wissenschaftler des Deutschen Primatenzentrums Göttingen und des Tiergartens ein Jahr lang die Laute der Seekühe im Manatihaus aufgezeichnet und analysiert.

Von besonderem Interesse waren dabei die Signaturpfiffe, die es den Tieren und Forschern ermöglichen, einzelne Individuen zu unterscheiden – denn jedes von ihnen wird von den anderen mit einem spezifischen Pfiff gerufen, so wie Menschen sich beim Namen nennen.

Nun arbeiten die Forscher des Arbeitskreises Zootierbiologie der Universität Frankfurt, welche die Laute von Seekühen aus den Umgebungsgeräuschen herausfiltern und anhand der Signaturpfiffe auch einzelne Tiere erkennen kann.

Da Manatis in trüben Gewässern leben, ist es nicht möglich, sie großflächig mit den Augen zu erfassen. Gelänge dies mit automatisierter akustischer Erkennung, könnten in Zukunft Artenschützer auch in der Natur genau dokumentieren, wie sich die Bestände in unterschiedlichen Gebieten entwickeln – und gegebenenfalls gezielte Schutzstrategien entwickeln.

Die Signaturpfiffe der Nürnberger Manatis können Sie hier anhören: