Ein Paradebeispiel für den Artenschutz feiert am heutigen Freitag, 25. August 2023, seinen 100. Geburtstag: Am 25. August 1923 beschloss eine Gruppe europäischer Zoodirektoren und Wissenschaftler, den Europäischen Wisent (Bison bonasus) zu retten. Das größte Landsäugetier Europas lebt seit 1966 auch im Tiergarten Nürnberg. Mit insgesamt 96 Geburten hat auch der Tiergarten erfolgreich zur Zucht und damit zum Erhalt der Art beigetragen. 46 Wisente wurden an andere Haltungen abgegeben.
Jahrtausendelang waren die Wildrinder in Europa weit verbreitet, in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert standen sie jedoch kurz vor der Ausrottung. Heute, genau einhundert Jahre später, hat sich der Bestand der Wisente durch internationale Zucht- und Wiederansiedlungsprojekte erholt. Inzwischen leben wieder mehr als 8 000 Tiere in der Natur, vor allem in Polen und Weißrussland. Die wiederangesiedelten Bestände vermehren sich gut, sodass die Gesamtpopulation weiter steigt. Die Weltnaturschutzunion IUCN stuft den Wisent heute nur noch als "potenziell gefährdet" ein. Im Jahr 2000 galt er noch als "stark gefährdet".
Mit seinem nordamerikanischen Verwandten, dem Bison (Bison bison), der auch im Tiergarten zu sehen ist, teilt der Wisent eine ähnliche Geschichte: "Sie sind bestes Beispiel dafür, wie Tierarten durch nicht nachhaltige Jagd oder den Verlust von Lebensraum beinahe ausgerottet wurden. Gleichzeitig zeigt die Geschichte beider Arten, dass Erhaltungszucht ein effektives Mittel im Arten- und Naturschutz sein kann. Gezielten Zuchtprogrammen und Wiederansiedlungsprojekten ist es zu verdanken, dass die Arten überlebt haben und ihre Bestände heute wieder stabil sind oder sogar steigen – ein großartiger Erfolg für den internationalen Artenschutz", sagt Jörg Beckmann, Biologischer Leiter und stellvertretender Direktor des Tiergartens. "Bei beiden Arten gibt es mittlerweile wieder so vitale Populationen, dass diese eine nachhaltige Jagd und damit Nutzung zulassen, ohne den Fortbestand zu gefährden."
Einführung eines Zuchtbuchs als wichtige Grundlage
Eine wichtige Grundlage für die Rettung der Wisente vor 100 Jahren war die Einführung eines Zuchtbuchs durch die damals frisch gegründete "Internationale Gesellschaft zur Erhaltung des Wisents". Zu diesem Zeitpunkt lebten keine 60 Tiere mehr in menschlicher Obhut, die aus zwölf Gründertieren abstammten. Mit diesen begann nun die systematische Erhaltungszucht in Zoos und Tierparks, die heute durch das Erhaltungszuchtprogramm des Europäischen Zooverbands (EEP) gesteuert wird. Es entstand eine stabile Population, sodass aus den Nachzuchten in den 1950er-Jahren die erste Gruppe im angestammten Gebiet im Bialowieza-Nationalpark (Polen) wieder angesiedelt werden konnte.
Lebensraum sichern als große Herausforderung
"Dies ist ein beeindruckendes Beispiel für die nachhaltige Arbeit zoologischer Gärten. Gemeinsam schützen wir Tiere und erhalten für folgende Generationen die Vielfalt. Ohne die Initiative gäbe es keine Wisente mehr im natürlichen Lebensraum", sagt Prof. Jörg Junhold, Präsident des Verbands der Zoologischen Gärten (VdZ). Volker Homes, VdZ-Geschäftsführer, ergänzt: "Dieses Beispiel zeigt, wie effektiv Zoos den Artenschutz prägen können. Es wird aber auch deutlich, dass solche Projekte nur mit großem Aufwand und der Unterstützung vieler internationaler Partner umgesetzt werden können. Den nötigen Lebensraum für die Tiere zu sichern, wird eine der großen Herausforderungen in den nächsten Jahren sein."
Wiederansiedlung in Aserbaidschan
Der Tierpark Berlin engagiert sich seit vielen Jahren zusammen mit dem WWF Deutschland bei der Wiederansiedlung der Wisente. Aktuell werden die Tiere in den Shahdag Nationalpark in Aserbaidschan gebracht, ermöglicht durch eine gemeinsame Initiative des aserbaidschanischen Umweltministeriums, des WWF, der EAZA sowie weiterer nationaler Partner vor Ort.
Zoos spielen wichtige Rolle beim Überleben der Art
Mit mehr als 400 Europäischen Erhaltungszuchtprogrammen (EEP) und europäischen sowie internationalen Zuchtbüchern arbeiten die Zoos daran, den Erhalt vieler bedrohter Tierarten zu sichern. Es gibt rund 200 Tierarten, bei denen Zoos eine wichtige Rolle beim Überleben der Art gespielt haben. Die Europäischen Wisente wie auch die Przewalski-Pferde sind bekannte Beispiele.
Auch der Tiergarten beteiligt sich seit vielen Jahren mit mehreren Arten an Auswilderungsaktionen. In den letzten Jahren hat er beispielsweise Alpensteinböcke in Österreich, Sumpfschildkröten in Hessen, Europäische Ziesel in Tschechien und Waldrappe in Spanien ausgewildert. Außerdem ist er am Auswilderungsprojekt für Bartgeier in Berchtesgaden beteiligt.