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Massensterben von Delfinen als Folge des Klimawandels – Hilfe durch Tiergarten und YAQU PACHA

159 tote Flussdelfine innerhalb kurzer Zeit an nur einem See: Das ist die erschreckende Bilanz des Massensterbens, das Ende September im brasilianischen Amazonasgebiet begonnen hatte. Betroffen sind die ohnehin schon bedrohten Amazonas-­Flussdelfine (Inia geoffrensis) und Sotalia-Flussdelfine (Sotalia fluviatilis). Der Tiergarten Nürnberg, die ihm angegliederte Artenschutzgesellschaft YAQU PACHA e. V. und der Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e. V. haben die Fachleute vor Ort seit Beginn des Massensterbens unterstützt. Sie haben gemeinsam mit Partnern weltweit finanzielle Hilfe in Höhe von 68.000 Euro organisiert – auch dank vieler großzügiger Spenden – sowie tiermedizinische und technische Unterstützung für den Einsatz koordiniert.

Seit Beginn der Umweltkatastrophe ist die Forschungsgruppe für aquatische Säugetiere im Amazonasgebiet vom Institut Mamirauá gemeinsam mit ICMBio­Tefé, einem Institut für die Erhaltung der biologischen Vielfalt, vor Ort im Einsatz. Neben dem Bergen und Obduzieren toter Delfine arbeiteten sie auch daran, die Ursachen wissenschaftlich zu untersuchen. Ein Zusammenhang mit den Folgen des Klimawandels ist nach der ersten durchgeführten Analysen der erste naheliegende Grund.

70 Kadaver an einem Tag

Der Höhepunkt des Massensterbens am Tefé­See trat am 28. September auf, als an einem Tag 70 Delfinkadaver gefunden wurden. Das Institut ICMBio rief daraufhin mit technischer Unterstützung des Mamirauá-­Instituts und in Zusammenarbeit mit verschiedenen Institutionen einen Umweltnotstand aus. Der Tiergarten und YAQU PACHA haben den Einsatz von diesem Moment an durchgehend unterstützt. Und mit ihnen eine Vielzahl anderer Partner weltweit.

Zum Einsatz gehörten unter anderem die Überwachung der Tiere und der Umweltparameter des Sees. Ein Team überwachte die Delfingruppen entlang des Tefé­Sees an bestimmten strategischen Stellen. Die Forscherinnen und Forscher erfassten nicht nur die Anzahl der Individuen jeder Art, sondern analysierten auch ihr Verhalten. Zeigte ein Tier Auffälligkeiten, stand ein Boot bereit, um es abzutransportieren und zu rehabilitieren. Der Gesundheitszustand der Tiere war meist allerdings so schlecht, dass sie nicht mehr gerettet werden konnten. Gleichzeitig suchte das Überwachungsteam nach Kadavern, um sie zu sezieren und Proben zu nehmen. Diese werden landesweit in Labore geschickt, um die Ursachen für die Todesfälle zu ermitteln.

Beim Monitoring des Sees konzentrierte sich das Team auf Wasserwerte wie Temperatur, Sauerstoffsättigung, Strömung und den Wasserstand. Auch wenn die Symptome nicht zwangsweise nur auf Hitzestress als Todesursache schließen lassen: Die Trockenheit und eine Wassertemperatur von bis zu 39,1 Grad an einer der überwachten Stellen stehen wahrscheinlich in direktem Zusammenhang mit dem Massensterben. Damit diese Annahme verifiziert werden kann, ist noch eine Vielzahl von Analysen notwendig. Hier hat das Team mit logistischen Schwierigkeiten beim Transport zu Laboren in ganz Brasilien sowie bürokratischen Hindernissen zu kämpfen.

Die Expertinnen und Experten beobachteten im See auch eine vermehrte Ansammlung von Algen, insbesondere der Art Euglena sanguinea, die sich besonders bei hoher Sonneneinstrahlung vermehrt. Obwohl diese Alge potenziell giftig für Fische ist, gibt es bisher keine Hinweise darauf, dass ihr Gift mit dem Delfinsterben in Verbindung steht.

"Das Massensterben am Tefé­See ist eine Katastrophe für den Artenschutz. Sie verdeutlicht die tiefgreifenden Auswirkungen des Klimawandels auf die biologische Vielfalt", sagt Dr. Lorenzo von Fersen, Kurator für Forschung und Artenschutz am Tiergarten Nürnberg und Vorsitzender von YAQU PACHA. "Da sich der Klimawandel weiter verstärken wird, sind Fortschritte in der wissenschaftlichen Forschung und die Zusammenarbeit mit Fachleuten weltweit entscheidend. Nur so können wir mögliche Auswirkungen vorhersagen und entsprechende Strategien entwickeln."

Delfinsterben auch an anderen Seen

Kürzlich wurden auch in der Gemeinde Coari in der Nähe von Tefé tote Amazonas­ und Sotalia­-Flussdelfine entdeckt. Forscherinnen und Forscher haben die dortigen Seen überwacht und bereits 117 Kadaver gefunden. Im Gegensatz zu Tefé dauert in dieser Region das Sterben der Tiere weiterhin an. Auch hier ist ein Team des Mamirauá­Instituts vor Ort, um die Ursache zu klären. In Tefé ist die Zahl der toten Delfine inzwischen zurückgegangen. Die Beobachtungen werden – wenn auch in reduziertem Umfang – langfristig vom Institut Mamirauá fortgesetzt.

Unterstützung über weltweites Netzwerk

Die Nothilfe ist eine Gemeinschaftsanstrengung eines internationalen Netzwerks vieler Partner: Involviert sind neben YAQU PACHA e. V., dem Tiergarten Nürnberg und dem Verein der Tiergartenfreunde Nürnberg e.V. unter anderem die National Marine Mammal Foundation (NMMF, USA), der International Fund for Animal Welfare (IFAW), Zoomarine (Portugal), L’Oceanografic (Spanien), Planete Sauvage (Frankreich), die Loro Parque Stiftung (Spanien), die European Association for Aquatic Mammals (EAAM), das Rehabilitationszentrum Mundo Marino (Argentinien) und der Tierpark Rancho Texas (Spanien).

Sie unterstützen die Teams vor Ort finanziell, aber insbesondere auch mit der Entsendung von Tiermedizinern aus den USA, aus Südamerika und aus Europa, die auf die Versorgung von Delfinen spezialisiert sind. Diese Experten arbeiten überwiegend in zoologischen Gärten und Meereserlebniszentren. Der Amazonas­- und der Sotalia-­Flussdelfin gehören zu den weltweit insgesamt fünf Flussdelfinarten.

Laut Weltnaturschutzunion IUCN sind alle diese Arten bedroht. Im Amazonasgebiet bringen Überfischung, Kontamination der Gewässer und Abholzung des Regenwalds und die immer weiter vordringende menschliche Infrastruktur, Staudammprojekte und Wasserverschmutzung die Tiere zunehmend in Bedrängnis. Der Bestand von Amazonas­-Flussdelfinen im Tefé-­See wird auf 900 geschätzt, der der Sotalia­Flussdelfine auf 500.

YAQU PACHA und der Tiergarten Nürnberg bitten weiter um Spenden, die direkt an die Einsatzteams vor Ort gehen. Weitere Infos gibt es hier.