Meilenstein bei der Rehabilitation eines Franciscana-Delfins – Unterstützung durch Tiergarten
Er zählt zu den kleinsten und am stärksten gefährdeten Delfinarten der Welt: der Franciscana-Delfin, auch La-Plata-Delfin genannt. Bei einem in...
Welche Bedeutung haben moderne Delfinarien in der heutigen Zeit und wie können sie zum Schutz der Tiere in der Natur beitragen? Mit dieser zentralen Fragestellung beschäftigt sich die aktuelle Ausgabe der Fachzeitschrift "Der Zoologische Garten". Initiiert wurde die Sonderausgabe von Dr. Lorenzo von Fersen, Kurator für Forschung und Artenschutz, und Jörg Beckmann, Biologischer Leiter im Tiergarten Nürnberg. Die Publikation beinhaltet insgesamt acht Artikel von hochrangigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus aller Welt zu Walen und insbesondere Delfinen. Dabei geht es unter anderem um deren Management in menschlicher Obhut, aktuelle Forschungsprojekte, den Arterhalt und tiermedizinische Fragestellungen.
"Der Tiergarten ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Haltung, Zucht und das Wohlergehen von Wildtieren in menschlicher Obhut in den letzten Jahrzehnten verbessert haben. Die europäische Population des Großen Tümmlers kann sich inzwischen selbst erhalten und die Lebenserwartung der Tiere ist gestiegen, das können wir anhand vieler Daten belegen", sagt Prof. Theo B. Pagel, Chefredakteur der Zeitschrift und Direktor des Zoologischen Gartens in Köln.
Beiträge renommierter Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler
An der Sonderausgabe haben sich viele renommierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der gesamten Welt beteiligt, darunter Prof. Dr. Jon Paul Rodríguez, Vorsitzender der Species Survival Commission (SSC) der Weltnaturschutzunion IUCN. Rodríguez betont, dass Zoologische Einrichtungen einen wesentlichen Beitrag zum Arterhalt leisteten, beispielsweise in den Bereichen Genetik, Veterinärmedizin, Tierhaltung, nachhaltige Zucht, Bildung und Einbeziehung der Öffentlichkeit.
In seinem Beitrag geht er insbesondere auf den sognannten "One Plan Approach" ein. Bei diesem Konzept geht es darum, Schutzmaßnahmen in der Natur (In-situ) und solche außerhalb der natürlichen Umgebung (Ex-situ) zu kombinieren. Damit erfasst der Ansatz alle Populationen einer Art, unabhängig davon, ob sie sich innerhalb oder außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets befinden. Ein wesentliches Element des Ansatzes ist auch, alle relevanten Akteure bei Entscheidungsfindungen einzubeziehen. So soll gemeinsam ein verbesserter, integrierter Artenschutz erreicht werden.
Rodríguez betont dabei auch die Dringlichkeit der Thematik: Fast die Hälfte aller Walarten weltweit gilt aktuell als gefährdet oder vom Aussterben bedroht. Dies erfordere ein rasches, koordiniertes und evidenzbasiertes Handeln. Die dramatischen Rückgänge der Bestände des Chinesischen Flussdelfins (Lipotes vexillifer) und des Vaquita (Phocoena sinus) zeigten, wie wichtig es ist, In-situ- und Ex-situ-Schutzmaßnahmen zu verstärken und noch enger miteinander zu verzahnen.
Mehr als 8.700 Expertinnen und Experten der SSC aus 186 Ländern sind an der Erstellung der wissenschaftlichen Erkenntnisse beteiligt, die der Roten Liste gefährdeter Arten der IUCN und den daraus abgeleiteten Erhaltungsplänen und Aktionsvorschlägen zugrunde liegen. "Wie in dieser Sonderausgabe und der Arbeit des SSC im Allgemeinen deutlich wird, wissen wir, wie man Naturschutz betreibt. Wir müssen nur mehr davon tun", so Rodríguez.
Die Rolle moderner Delfinarien
Auch Dr. Lorenzo von Fersen und Dr. Philip S. Miller von der Conservation Planning Specialist Group der IUCN betonen in ihrem Artikel die Bedeutung integrierter Artenschutzmaßnahmen und thematisieren die Rolle moderner Delfinarien im Hinblick auf den One Plan Approach. "Wir stehen vor einem dramatischen Verlust der biologischen Vielfalt, der in absehbarer Zeit unumkehrbar sein könnte. Der Schutz wildlebender Tiere in ihren Lebensräumen reicht möglicherweise nicht aus, um den anhaltenden Rückgang und das Aussterben einiger Arten aufzuhalten. In diesen Fällen brauchen wir neue Strategien für einen wirksamen Schutz", sagt von Fersen. "Mit dem One Plan Approach übernehmen Zoos unmittelbar Verantwortung für den Artenschutz. Einrichtungen, die Delfine halten, müssen sich der wichtigen Rolle bewusst sein und verantwortungsbewusst handeln."
Wie wichtig ein integrierter Artenschutz ist, kommt auch bei den nachfolgenden Autorinnen und Autoren immer wieder zur Sprache. Weitere Artikel thematisieren die Bedeutung von Delfinarien für die Forschung, konkrete Maßnahmen zum Schutz bedrohter Walarten, Projekte des US Navy Marine Mammal Program sowie die Forschungsarbeit für den Lahille Großen Tümmler (Tursiops truncatus gephyreus) in Brasilien, Uruguay und Argentinien.
Mit Zootierärztin Dr. Katrin Baumgartner ist in der Sonderausgabe auch eine weitere Autorin des Tiergartens vertreten. Gemeinsam mit Dr. Tim Hüttner, der ebenfalls viele Jahre im Tiergarten forschte, und Zootierärztin Dr. Kerstin Ternes vom Zoo Duisburg fasst sie zusammen, wie sich die Haltung der Großen Tümmler in den letzten 50 Jahren entwickelt hat und welche Aspekte dabei besonders wichtig sind.
Alle Artikel kostenlos verfügbar
"Der Zoologische Garten" ist ein eine internationale, wissenschaftliche, von Fachleuten beachtete Zeitschrift für die gesamte Tiergärtnerei. Sie ist auch das offizielle Blatt des Verbands der Zoologischen Gärten e.V. (VdZ) und der World Association of Zoos and Aquariums (WAZA). Alle Artikel dieser und vorheriger Ausgaben stehen hier kostenlos zur Verfügung.
Über 50 Jahre Delfinhaltung in Nürnberg
Der Tiergarten begann 1971 seine Delfinhaltung mit fünf Großen Tümmlern, vierzig Jahre später – im Jahr 2011 – wurden die Delfinlagune und das Manatihaus mit der Unterwassereinsicht im Blauen Salon eröffnet. Heute haben die Meeressäugetiere einen gewichtigen Anteil an den Artenschutzbemühungen des Tiergartens als Botschafter für die bedrohten Ozeane. Denn der Schwerpunkt der Delfinhaltung im Tiergarten liegt im Bereich des Artenschutzes und der Forschung. Zahlreiche wissenschaftliche Untersuchungen und Publikationen zu Delfinen stammen aus dem Tiergarten oder wurden durch diesen unterstützt, dies besonders in enger Zusammenarbeit mit der vom Tiergarten 1992 mitgegründeten und hier ansässigen Artenschutzgesellschaft Yaqu Pacha e.V. .