Der Tiergarten als Forschungseinrichtung, wichtiger Akteur im Artenschutz und seine Bedeutung für den Tourismus – das waren die zentralen Themen beim Besuch von Stefan Schmidt, Mitglied des Deutschen Bundestags (MdB) für das Bündnis 90/Die Grünen aus Regensburg, Ende August im Tiergarten. Stefan Schmidt hat mit Tiergartendirektor Dr. Dag Encke sowie Dr. Lorenzo von Fersen, Kurator für Forschung und Artenschutz, gesprochen und eine Delphin-Präsentation in der Lagune besucht. Wolfgang Rades, Artenschutzbeauftragter des Loro Parque auf Teneriffa, hatte das Treffen organisiert.
MdB Stefan Schmidt erwartete sich auch Informationen darüber, wie moderne Zootierhaltung zum Artenschutz beitragen kann. "Mich interessiert zum Beispiel, wie Zoos mit Hilfe wissenschaftlicher Erkenntnisse auf neue Herausforderungen reagieren. Als Sprecher für Tourismuspolitik der Grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Tourismusausschuss des Bundestags finde ich es spannend, wie dem Tiergarten der Spagat zwischen Freizeiteinrichtung und Wissensvermittler gelingt. Es soll ja nicht nur um Entertainment gehen – die Menschen sollen bei einem Zoobesuch auch ihre Eindrücke reflektieren und neues Wissen mitnehmen."
Landschaftsbild erhalten und Vielfalt der Ökosysteme zeigen
Tiergartendirektor Dr. Dag Encke führte die kleine Gruppe von der Giraffenanlage über den Pavianfelsen zum Manatihaus. MdB Schmidt wollte zunächst mehr über Philosophie und Strategie des Tiergartens wissen. Hier spiele unter anderem der Begriff des Landschaftszoos eine wichtige Rolle, erklärte Dr. Encke. "Eines unserer wichtigsten Ziele ist es, den einmaligen und ursprünglichen Landschaftscharakter des Tiergartens, der inmitten von Sandsteinfelsen, alten Baumbeständen und Weihern liegt, langfristig und jeweils zeitgemäß zu erhalten." Außerdem möchte der Tiergarten mit verschieden gestalteten Gehegen und Tierhäusern die Vielfalt der Ökosysteme veranschaulichen. Dr. Encke sagte weiter: "So orientiert sich beispielsweise die Bepflanzung in den Tieranlagen soweit wie möglich am natürlichen Lebensraum der Tiere. Außerdem werden Tiere, die im selben Lebensraum vorkommen, häufig vergesellschaftet, also gemeinsam gehalten."
Dr. Encke erklärte außerdem, warum der Tiergarten in einer zunehmend digitalisierten Welt einen analogen Naturerlebnisraum für Besucherinnen und Besucher bieten soll und ging auf die Rolle der Zoos als wichtige außerschulische Bildungseinrichtung ein. Neben Erholung, Forschung und Artenschutz gehört die Bildung gemäß des „Vier-Säulen-Konzepts“ zu den zentralen Aufgabenschwerpunkten von Zoos.
Weiter ging es für MdB Schmidt zum Wüstenhaus, wo er sich zunächst über einen Haufen Mist auf dem sandigen Boden wunderte. Dr. Encke erklärte, dass Mistkäfer wie die Pillendreher den Mist zu Kugeln rollen und diese dann im Boden vergraben. So tragen sie entscheidend zur Fruchtbarkeit der Böden bei. Nur wenige Meter daneben, an der Anlage der Mendesantilopen und Somali-Wildesel, stand das Thema Artenschutz im Mittelpunkt – beide Arten gelten laut Weltnaturschutzunion (IUCN) als "vom Aussterben bedroht". In der Natur gibt es jeweils nur noch wenige Dutzend Tiere, die Bestände in Zoos sind wichtige Reservepopulationen. Hier wurde deutlich, welchen Beitrag Zoos mit ihren Erhaltungszuchtprogrammen für den Arterhalt leisten.
Forschung in Delphinarien trägt zum Arterhalt bei
MdB Schmidt kam auch nach Nürnberg, um mehr über die Delphinhaltung sowie aktuelle Forschungsprojekte zu erfahren. Der zweite Teil seines Besuchs begann mit einer Delphinpräsentation in der Lagune und einem Besuch des Blauen Salons, wo Große Tümmler, Kalifornische Seelöwen und Manatis unter der Wasseroberfläche zu sehen sind.
Zur Delphinhaltung hatte MdB Schmidt viele Fragen – etwa, warum es nötig ist, die Tiere überhaupt in Delphinarien zu halten. Wolfang Rades, seit 2019 Artenschutzbeauftragter für Europa beim Loro Parque, sagte dazu: "Nur wer Tiere kennt, wird Tiere schützen. Delphine und andere Meeressäuger sind heute Sympathieträger und in modernen Delphinarien wie hier in Nürnberg wichtige Botschafter für den Schutz der Meere. Zudem sind sie ein wichtiges Instrument für die wissenschaftliche Forschung, die in der modernen Biologie sowohl im Delphinarium als auch im Freiland erfolgt. Beide Bereiche ergänzen sich sinnvoll und kommen dem Artenschutz zugute."
Warum Delphine in modernen Zoos ein Modell für integrierten Artenschutz sind, erklärte Dr. Lorenzo von Fersen: "Der Bestand von fast der Hälfte aller Wal- und Delphinarten weltweit ist gefährdet, von den Arten mit einer küstennahen Verbreitung sind es weitaus mehr. Schutzmaßnahmen im natürlichen Habitat reichen nicht mehr aus, um Arten zu erhalten. Es sind neue Strategien erforderlich." Der Tiergarten arbeitet deshalb gemeinsam mit vielen anderen Institutionen weltweit an der Entwicklung solcher Schutzstrategien und verfolgt den sogenannten "One Plan Approach". Bei diesem Konzept geht es darum, Schutzmaßnahmen in der Natur (in situ) und solche außerhalb der natürlichen Umgebung (ex situ) zu kombinieren sowie lokale Interessensgruppen und Gemeinschaften einzubeziehen. So soll gemeinsam ein verbesserter Artenschutz erreicht werden.
Zoos und Delphinarien spielen in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle. "Die Haltung von Delphinen in wissenschaftlich geführten Zoos hat gezeigt, dass diese Orte Sicherheit bieten und einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leistet. Wenn unser Ziel die Arterhaltung ist, dürfen wir diese Einrichtungen also nicht abschaffen, sondern müssen sie weiterentwickeln", so Dr. von Fersen.
Bedeutung von Zoos für die Arterhaltung
Nach seinem Besuch zieht MdB Schmidt ein positives Fazit: "Wir hatten sehr gute und offene Gespräche. Ich habe viel dazugelernt und neue Erkenntnisse gewonnen. Dass viele Tierarten durch das Engagement der Zoos vorm Aussterben bewahrt werden konnten und können, macht mich zuversichtlich. Die Delphinhaltung, die ich bislang eher kritisch betrachtet habe, hat für mich vor diesem Hintergrund an Bedeutung gewonnen. Wenn sie durch wissenschaftliche Forschung Erkenntnisse hervorbringt, die dem Arterhalt dienen, kann sie eine gewisse Berechtigung haben. Die Vorträge und Gespräche haben mir gezeigt, wie wichtig es ist, die Menschen vor Ort mitzunehmen. Denn wir Menschen sind häufig Teil des Problems, aber eben auch Teil der Lösung. Diese Erkenntnis ist auch auf alle anderen Herausforderungen unserer Zeit übertragbar."