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Warum sind Eisbärenbabys so klein?

Während ihres gesamten Aufenthaltes in der Höhle frisst und trinkt das Weibchen nichts, obwohl es manchmal meh­rere Jungtiere säugen muss. Damit die Bärin diese Fasten­kur überstehen kann, hat die Natur eine Reihe von Siche­rungen eingebaut. 

So liegt die anstren­gende Paarungszeit nicht im Herbst sondern im Frühjahr. Das Ei nistet sich auch nicht gleich in den Uterus ein, sondern „wartet ab“, ob es dem Weib­chen gelingt, im Frühsommer genügend Fettreserven auf­zu­bauen. Im Sommer, wenn die Jungrobben das of­fene Was­ser aufsuchen, nimmt das Nahrungsan­gebot ab bzw. ver­siegt ganz. Erst im Herbst „entscheidet“ der phy­siologische Zustand der Bärin, ob sich das be­fruchtete Ei in den Uterus einnisten darf, oder nicht.

Die Anpassung an den extremen Lebensraum der Arktis bringt es mit sich, dass Eisbärinnen den größten Teil ihrer Tragzeit ohne Nahrungsaufnahme verbringen müssen. Zu Beginn des Fastens stellt der Körper seine Energieversor­gung von Glu­cose auf Fettsäuren um. Der Fötus kann dies nicht. Damit sein Glucosebedarf sicher ge­stellt ist, muss die Mutter verstärkt kör­pereigene Proteine abbauen. Ein großer Fötus würde das Leben der Mutter gefährden.

Deshalb bringen Bärinnen winzig kleine Junge zur Welt. Vergleicht man die Verhältnisse mit anderen plazentalen Säugetieren, dann müsste ein 200 kg schweres Weibchen ein 22 kg schweres Bärenkind zur Welt bringen. Das Ge­burtsgewicht liegt aber meist nur bei 600 bis 700 Gramm. Am häufigsten werden Zwillinge (ca. 70 %) und Einzelkin­der (ca. 25 bis 30 %) gebo­ren. Drillinge sind selten, Vier­linge eine Ausnahmeerschei­nung.

Nach der Geburt ändern sich die physiologischen Ver­hältnisse: Die beim Fasten-Stoffwech­sel anfallenden freien Fett­säuren werden nun über die Milch an das Baby weiter­gegeben, das sie in dieser Form zur Energieerzeugung nutzen kann. Wissen­schaftler schätzen, dass eine Bärin mindestens 200 kg Fett braucht, um die Schwanger­schaft erfolgreich durchzuste­hen. Träch­tige Weibchen ver­doppeln häufig ihr Kör­per­gewicht, bevor sie in der Höhle verschwin­den. Die größte doku­mentierte Zunahme lag bei 460 Pro­zent. Eine unterer­nährte Eisbärin steigerte ihr Körperge­wicht von 97 kg auf über 450 kg. Im fol­genden Sommer hatte sie drei Jung­tiere bei sich.

Beobachtungen in der Beaufortsee, wonach Weibchen die Höhle frühzeitig verlassen oder Jungtiere verstoßen, le­gen den Schluss nahe, dass die Tiere „abschätzen“ kön­nen, ob sich die Investition in den Nachwuchs lohnt oder nicht. Eisbä­renforscher konnten mehrere Fälle doku­mentie­ren, in de­nen unterernährte Weibchen ihre Kinder getö­tet und gefressen haben. Mütterlicher Kanniba­lismus scheint jedoch selten zu sein.

Männchen töten und fressen dagegen gelegentlich Jungtiere.  Vor solchen Angriffen kann offenbar nicht einmal die Wurfhöhle Schutz bieten. So fanden Forscher auf Ho­pen Island (Spitzbergen) ein Lager, in dem drei Jungtiere getötet wurden. Die Umstände legten nahe, dass der „Tä­ter“ ein geschlechtsreifes Männchen war.

Die Wurfhöhle der Eisbärin muss also gewisse Si­cher­heitsstandards erfüllen, was man auch an der Re­aktion ge­genüber menschlichen Störungen ablesen kann. Im Herbst lassen sich Bärinnen offenbar leichter aus ih­rem (Ruhe-) Lager ver­treiben als im Winter. Man­che Weib­chen wech­seln ohnehin mehrfach das Quartier, bevor sie das richtige gefunden haben.

Anders im Winter: Aus Alaska wird berichtet, die Bärin­nen würden sich in ihren Wurfhöh­len si­cher fühlen und selbst den Lärm von Heli­koptern und Schneemobilen in der Nähe tolerieren. Andere For­scher bezwei­feln diese Ein­schät­zung und befürchten, dass menschliche Störungen den Fortpflanzungserfolg gefährden.