Manatihaus am 5. Dezember geschlossen
Aus tiergärtnerischen Gründen bleibt das Manatihaus am Donnerstag, 5. Dezember, geschlossen. Ab Freitag hat es wieder wie gewohnt geöffnet.
Der Tiergarten Nürnberg unterstützt das Konsortium CCAHD (Consortium for the Conservation of the Atlantic Humpback Dolphin) zum Schutz des vom Aussterben bedrohten Kamerunflussdelphins (Sousa teuszii). Um die
Notlage dieser Delphinart ins Licht der Öffentlichkeit zu rücken und finanzielle Mittel zu ihrem Schutz zu sammeln, haben weltweit agierende Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler wie auch Naturschutzorganisationen die dreisprachige Internetpräsenz sousateuszii.org entwickelt und umgesetzt. Dr. Lorenzo von Fersen, Kurator im Tiergarten Nürnberg für Forschung und Artenschutz, leitet die Arbeitsgruppe „Fundraising“ des Konsortiums.
Im CCAHD sind mehr als 60 Forschende und über 40 Organisationen vertreten. Deren gemeinsames Ziel es ist, "durch Forschung, Bewusstseins- und Kapazitätsbildung und verschiedene Maßnahmen auf den langfristigen Erhalt der Populationen des Kamerunflussdelphins und ihrer Lebensräume hinzuarbeiten", so der Biologe von Fersen.
Laut Schätzungen gibt es nur noch weniger als 3.000 Individuen im gesamten Verbreitungsgebiet.
Es gibt keinen Winkel mehr im Ozean, der nicht überfischt ist." (Ransom Myers, Meeresbiologe und Fischereiexperte)
Mit seinem Roman "1984" hat der englische Schriftsteller George Orwell vor einem totalitären Überwachungsstaat gewarnt. Das Jahr 2048 könnte eine ähnlich visionäre Kraft entfalten, obwohl die Zahl nur beiläufig erwähnt wird: Eingeklammert in einen wissenschaftlichen Text.
Der Artikel über den "Einfluss des Verlusts an Artenvielfalt auf die Leistungsfähigkeit mariner Ökosysteme" erschien im November 2006 in der renommierten Fachzeitschrift "Science". Die Autoren haben weltweit die Fangdaten der Küsten- und Hochseefischerei aus den letzten 50 Jahren analysiert und die weitere Entwicklung vorausberechnet.
Fazit: Derzeit sind die Bestände von etwa 65 Prozent aller Fisch-, Muschel- und Krustentierarten, die vom Menschen genutzt werden, auf ein Zehntel ihrer ursprünglichen Größe geschrumpft. Im Jahr 2048 werden es 100 Prozent sein. Mit anderen Worten: Wenn sich nichts ändert, sind die Weltmeere bis Mitte des Jahrhunderts nahezu leer gefischt. Der Trend könne allerdings noch gestoppt werden, behaupten die Wissenschaftler.
Als Reaktion auf die Studie hat die Nürnberger Naturschutzorganisation Yaqu pacha mit Unterstützung des Weltverbands der Zoos und Aquarien (WAZA) und des Tiergarten Nürnbergs im letzten Jahr die Kampagne "Deadline" gestartet, die sich auf das Stichjahr 2048 bezieht. Das Projekt machte vom 27. bis 30. Mai 2008 auf der "Plaza der Vielfalt" bei der "9. Vertragsstaatenkonferenz des Übereinkommens über die biologische Vielfalt" (Convention on Biological Diversity, CBD) in Bonn mit einem großen Stand auf die akute Gefährdung der Weltmeere und ihrer Bewohner aufmerksam. Im Zentrum der Präsentation stand eine vereinfachte Darstellung des marinen Ökosystems, in der auch der Eisbär seinen Platz hat.
Der Eisbär ist ein Meeressäuger. Zwar gibt es noch keine Hinweise, dass ihm derzeit durch Überfischung die Nahrungsgrundlage entzogen wird, doch die industrielle Fischerei schafft auch in der Arktis zunehmend Probleme. Wie die Science-Studie nachgewiesen hat, sind Meeresgebiete mit geringer Artenvielfalt, und zu ihnen gehört das Nordpolarmeer, anfälliger gegen Raubbau und regenerieren langsamer als Regionen mit großer Biodiversität.
Wie sensibel das arktische Ökosystem ist, zeigt die "Sattelrobbeninvasion" von 1987. Plötzlich tauchten 200 000 Tiere vor der norwegischen Küste auf. Wissenschaftler von Greenpeace sahen die Ursache damals in der Überfischung der Lodde, einem kleinen, fettreichen Fisch, der von Sattelrobben bevorzugt wird. Die Loddenbestände der Barentssee waren in den 1980er Jahren bis auf ein Fünftel reduziert worden. Auf der Suche nach Nahrung mussten die Robben nach Süden ausweichen.
"Wer an einem einzelnen Teil der Natur zerrt, stellt fest, dass an diesem der Rest der Welt hängt", sagt der amerikanische Naturschützer John Muir. Ökosysteme funktionieren wie Netze: Je weniger Maschen, desto schlimmer wirkt sich ein einzelner gekappter Faden aus.
Yaqu pacha setzt sich in besonderer Weise für wasserlebende Säugetiere in Südamerika ein. "Doch was nützt es, einzelne Delfinarten zu schützen, wenn sie 2048 nichts mehr zu fressen haben", fragt der Vereinsvorsitzende Lorenzo von Fersen. Mit klassischem Naturschutz allein komme man nicht mehr weiter. "Wir brauchen ein Ökosystemmanagement und maritime Schutzgebiete", fordert von Fersen. Aus Naturschutzsicht wurden die Ozeane bisher sträflich vernachlässigt. Während etwa zwölf Prozent der Landfläche geschützt sind, sind es im Meer gerade einmal 0,5 Prozent.
Nach einem Bericht der Welternährungsorganisation FAO waren 2006 drei Viertel aller kommerziell genutzten Fischbestände voll ausgeschöpft oder bereits überfischt. Einige Arten sind akut gefährdet, wie der pazifische Gelbflossenthunfisch oder der Blauflossenthun im Atlantik und Mittelmeer. Letzterer gilt als Delikatesse; für ein 200 Kilogramm schweres Tier wurden schon mehr als 150 000 Euro erzielt. Solche Preise treiben die Fischer in einen regelrechten Goldrausch, der nicht mehr zu kontrollieren ist. Wo es Fangquoten gibt, werden sie oft von illegal operierenden Fischereiflotten unterlaufen.
Die Fischereiindustrie wird jährlich mit 30 Milliarden Dollar subventioniert. Um die Netze zu füllen, müssen die Fischer immer weiter aufs offene Meer hinausfahren und immer ausgefallenere Such- und Fangtechniken anwenden. Der High-Tech-Aufwand führt aber nicht etwa zu selektiveren Fangmethoden, sondern fördert die sinnlose Verschwendung mariner Ressourcen.
Jedes Jahr werden vermutlich mehr als 27 Millionen Tonnen Meerestiere als "Beifang" ins Meer zurückgeworfen. Die meisten davon tot. Darunter unerwünschte und kleine Fische, Schildkröten und Seevögel, sowie ca. 650 000 Wale, Delfine und Robben. Auf eine Tonne Seezunge entfallen ca. elf Tonnen Beifang. Noch absurder ist das Verhältnis in der Shrimp-Fischerei, die mit besonders feinen Netzen arbeitet. Um eine Tonne Shrimps zu fangen, werden zum Beispiel von Fischern in Trinidad bis zu 14 Tonnen getöteter Meerestiere in Kauf genommen.
Im Vergleich mit Grund- und Treibnetzen scheint die Langleinen-Fischerei besonders selektiv zu sein. Doch an den beköderten Haken der kilometerlangen Leinen verenden jedes Jahr über 250 000 bedrohte Schildkröten und über 300.000 Seevögel. Das muss nicht sein. Legt man zum Beispiel die Thunfischköder ausschließlich in Tiefen unter 100 Metern aus, werden deutlich weniger Schildkröten gefangen.
Für diese einfache Maßnahme wurde 2005 der Hauptpreis der ersten internationalen "Smart Gear Competition" vergeben. Der vom WWF ausgeschriebene Ideenwettbewerb soll dazu beitragen, die Beifangquoten zu senken. 2006 wurde der Einsatz von Magneten prämiert, die Haie von den Langleinhaken fern halten. Derzeit unterstützt die Naturschutzorganisation die Entwicklung kreisförmiger Haken für die Schwert- und Thunfischerei, mit denen die Beifangquote an Schildkröten um 90 Prozent gesenkt werden kann.
Die Entwicklung neuer Fangtechniken ist eine Sache, ihre Umsetzung eine andere. "Die größte Herausforderung des Naturschutzes ist es, das Verhalten der Menschen zu verändern", sagt von Fersen. Yaqu pacha setzt dabei seit vielen Jahren auf Umweltpädagogik vor Ort. Die Organisation unterstützt zum Beispiel ein Projekt der Universität von Rio Grande do Sul in Brasilien, das sich speziell an Fischerfrauen richtet. Sie sollen helfen, neuartige Fangmethoden in den Dörfern bekannt zu machen. So werden zum Beispiel Seevögel von blau angemalten Ködern oder Nylonfäden an den Langleinen abgeschreckt.
Überfischung und Beifang sind leider nicht die einzigen Gefahren für die Weltmeere. Ein Problem, das für die meisten Menschen außerhalb ihrer Vorstellung liegt, ist die akustische Meeresverschmutzung. Im riesigen Ozean erscheint selbst ein Supertanker wie eine Nussschale. Welchen Einfluss sollte der Lärm einer Schiffsschraube auf die scheinbar stummen Meeresbewohner haben?
Nun, Fische sind keineswegs stumm und Säugetiere schon gar nicht. Der 20 Meter lange Finnwal ist sogar das "lauteste Tier der Welt". Unter Wasser erreichen seine Rufe einen Schalldruckpegel von 188 Dezibel, während ein 30 Meter entferntes Düsenflugzeug mit 150 Dezibel schon deutlich über der menschlichen Schmerzschwelle liegt.
Der Schall pflanzt sich unter Wasser rund fünf mal schneller fort als in der Luft. Sporttaucher vor Mallorca wunderten sich über "geheimnisvolle Klänge", bis Akustikexperten den Finnwal als Ursache ausmachten. Das menschliche Gehör kann die Finnwalgesänge über eine Entfernung von sieben Kilometer wahrnehmen. Von Artgenossen werden sie über Tausende von Kilometern erkannt.
Wale vor Neufundland kommunizieren mit Artgenossen vor den Bermudas, sie nutzen ihr "akustisches Gedächtnis" zur Orientierung und bezirzen Geschlechtspartner mit ihrem Gesang. Noch erstaunlicher: Blauwale im West-, Nordwest- und Ostpazifik haben unterschiedliche "Dialekte" entwickelt, die sich in Takt, Klangfarbe und Tonhöhe unterscheiden. Ein Kommunikations- und Ortungssystem, das die Übermittlung feinster Nuancen über irrsinnig weite Entfernungen voraussetzt, ist jedoch extrem störanfällig. Zumal die Wale häufig auch in flache Gewässer schwimmen, wo der "Ozean-Smog" von Schiffen, Öl- und Gasförderanlagen besonders ausgeprägt ist.
Die Geräuschkulisse von Schiffen ist allerdings noch harmlos im Vergleich zu dem hohen Schallpegel von aktiven Sonarsystemen, die die Marine zur Ortung von U-Booten einsetzt. Nach einem Bericht des nordamerikanischen "National Research Council" (2003) besteht ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen militärischen Sonarübungen und den Massenstrandungen von Cuviers Schnabelwalen im Mittelmeer (1998), vor den Bahamas (2001) und den Kanarischen Inseln (2002).
Da viele der gestrandeten Tiere eine Gas-Embolie hatten, vermuten manche Forscher, dass sie panikartig aus großer Tiefe aufgetaucht sind und dabei einen Dekompressions-Unfall erlitten haben. Doch auch wenn der Lärm nicht direkt tötet, bleiben oft Hörschäden, Verhaltensstörungen und ein geschwächtes Immunsystem zurück. Besonders verheerend wirken sich "Airguns" aus, die bei der seismischen Suche nach Öl- und Gaslagern eingesetzt werden. Die Schallkanonen geben im Sekundentakt Schüsse von bis zu 270 Dezibel ab. Aus solchen Untersuchungsgebieten flüchten nicht nur die Meeressäuger. Auch die Netze der Fischer bleiben leer und selbst Seespinnen (Krebse) leiden nachweislich unter der "Lärmhölle".
Das Meer kann aber auch noch auf andere Weise zur Hölle werden. Erst blüht es auf, dann verbreitet es einen üblen Schwefelgeruch. Zurück bleibt eine "Tote Zone", in der die Evolution auf ihre Anfänge zurückgeworfen wird. Schuld ist häufig die Überdüngung der Felder mit Phosphaten und Nitraten. Die vom Regen ausgewaschenen Nährstoffe gelangen über Flüsse ins Meer. Dort werden sie von pflanzlichem Plankton aufgenommen, das sich explosionsartig vermehrt ("Algenblüte").
Einige Algenarten bilden Giftstoffe, die das Ökosystem direkt schädigen. Das größte Problem ist jedoch die Massenvermehrung selbst. Nach der "Blüte" stirbt das Phytoplankton, sinkt ab und wird von Bakterien zersetzt, die dem Wasser dabei so viel Sauerstoff entziehen, dass kein Tier mehr auf dem Meeresboden leben kann. Über die organischen Reste machen sich Fäulnisbakterien her, die ohne Sauerstoff auskommen. Sie produzieren das giftige Gas Schwefelwasserstoff, welches bei seinem Aufstieg an die Wasseroberfläche weiteren Schaden anrichtet.
Gelegentlich auftretende, periodische oder ganzjährige Todeszonen gibt es in allen Weltmeeren. Ihre Zahl steigt dramatisch: Von 150 im Jahr 2003 auf ca. 200 im Jahr 2006. Einige dieser "toten Zonen" haben bereits die Größe von Bayern erreicht. 2007 entstand im Golf von Mexiko eine Todeszone in der Größe von New Jersey. Wissenschaftler sahen die Ursache in einem wachsenden Nährstoffeintrag des Mississippi, der wiederum durch die Überdüngung von Pflanzen verursacht wurde, die zur Biospritherstellung angebaut werden.
Die Wissenschaftler hofften damals auf einen Hurrikan, der das Wasser des Golfs kräftig durchmischt. Die Situation entbehrt nicht einer gewissen Tragik: Durch die (unökologische) Produktion Klima schonender Biokraftstoffe werden Todeszonen im Meer erzeugt, die um so schneller regenerieren, je mehr Hurrikans infolge der Erderwärmung entstehen.
Bei der Suche nach Auswegen aus der Umweltkrise wird der Teufel oft mit dem Belzebub ausgetrieben. Ein gutes Beispiel sind Fischfarmen. Heute stammen bereits 43 Prozent aller verzehrten Fische aus Zuchtanlagen. Die Branche boomt und scheint eine wirksame Alternative gegen die Überfischung der Weltmeere zu bieten. Doch in den meisten Aquafarmen spiegeln sich nur die Fehlentwicklungen der industriellen Landwirtschaft und Fischerei wider.
Nach Schätzungen des WWF werden die Zuchtanlagen im Jahr 2010 die Hälfte des Fischmehls und die gesamte Weltproduktion an Fischöl verbrauchen. Der Bedarf wird die Nachfrage nach Arten verstärken, die bisher nicht so häufig gefangen wurden, weil sie nicht zu den Speisefischen zählen. Für die Zucht von einem Kilogramm Lachs müssen der Natur drei bis sechs Kilo Futterfisch entnommen werden.
Doch selbst wenn in den Aquakulturen nur Fischabfälle und Beifänge verfüttert würden, werfen sie immer noch gewaltige Umweltprobleme auf. So gilt das Aquafarming als eine der Hauptursachen für die Zerstörung von drei Viertel der philippinischen Mangrovenwäldern. Auch in Thailand zahlten die Menschen einen hohen Preis für das schnelle Geld, das sie mit der Garnelenzucht verdienen: Wild lebende Speisefische verlieren ihre Laichgebiete und die Küste ihren Schutz vor Sturmfluten. So drang der verheerende Tsunami vom Dezember 2004 an Stellen, wo Mangroven und Korallenriffe zerstört waren, viel weiter ins Land vor als anderswo.
Die Ausbeutung der Mangrovenwälder erinnert an den Brandrodungsbau. Schon nach wenigen Jahren sind die Küstenabschnitte durch Futterreste, Kot und Medikamente so verdreckt, dass die Farmen "umziehen" müssen. Chemie ist nötig, um die Zuchttiere vor Krankheiten und Parasiten zu schützen, die sich überall dort ausbreiten, wo zu viele Lebewesen auf engem Raum gehalten werden. Dabei setzen die "Aquabauern" auch Antibiotika ein, ohne Rücksicht auf die negativen Auswirkungen für Mensch und Umwelt.
Häufig stören Aquakulturen das bestehende Artengleichgewicht durch Faunenfälschung. Chile ist zum Beispiel einer der größten Zuchtlachsproduzenten weltweit, obwohl die Tiere dort gar nicht vorkommen. Jeder Lachs, der ausbüchst, gefährdet einheimische Fischarten durch Konkurrenz oder das Übertragen von Krankheiten. So sind zum Beispiel die Wildlachsbestände im Nordost-Atlantik zwischen 1983 und 2001 um 45 Prozent zurückgegangen.
Windräder werden oft als Verschandelung der Landschaft empfunden, an Fischfarmen gewöhnt sich das Auge dagegen leichter. Dabei nehmen sie anderen Tieren den Lebensraum weg: Chiledelfine verbringen ihr Leben oft nur in einer einzigen Bucht. "Sie sind wie Bäume. Wenn man sie verpflanzt, leiden sie", berichtet von Fersen.
Eine weitere Quelle maritimen Leidens sind die vielen Kunststoffe, die wir achtlos ins Meer kippen. Meeresschildkröten unterscheiden nicht zwischen Quallen und Plastiktüten, doch die einen halten sie am Leben, die andere töten sie. Seile und Plastikringe strangulieren Robben und bringen sie zum Ertrinken, Reste von Styroporbojen verstopfen den Magen von Vögeln. Herrenlose "Geisternetze" fangen ihre Beute, ohne einen Beitrag zur menschlichen Ernährung leisten zu können. Dieser Müll tötet jedes Jahr ca. eine Million Seevögel und 100 000 Meeressäuger.
Wissenschaftler fanden auf einem einzigen Quadratkilometer Ozean 18 000 Plastikteile, deren Zersetzung bis zu 450 Jahre dauern kann. Besonders gefährlich sind scharfkantige Kunststoffreste, die von Seevögeln als Futter angesehen werden. Zwei von fünf Küken des Layson-Albatros auf Hawaii sterben innerhalb der ersten sechs Lebensmonate an dem "Plastikfutter", das ihre Eltern ins Nest bringen.
Je kleiner der Müll, desto leichter verteilt er sich im Ozean: Giftige Chemikalien führen an vielen Orten zu Katastrophen. So lange sie räumlich und zeitlich begrenzt sind, wird das Meer damit fertig. Es gibt aber auch Schadstoffgruppen, in erster Linie organische Halogen- und Phenolverbindungen, die weltweit wirken, weil sie kaum abbaubar sind. Ihre Halbwertszeit in der Umwelt beträgt oft viele Jahrzehnte.
Zu den sogenannten "Dauergiften" oder POPs ("Persitent Organic Pollutants") zählen zum Beispiel "Klassiker" wie die Polychlorierten Biphenyle (PCB), das Sevesogift Dioxin, das Holzschutzmittel PCP, der Antifouling-Wirkstoff TBT oder das Insektizid DDT. Die Herstellung dieser Stoffe ist zwar inzwischen verboten, doch weltweit verbannt sind sie deshalb noch lange nicht. Und die Ersatzstoffe können ähnlich gefährlich sein. Mit der rasanten Entwicklung neuer Chemikalien kann die Umweltanalytik nicht mithalten.
Besonders nachteilig für die Arktis wirkt sich der Effekt der "globalen Destillation" aus, der erst 1996 entdeckt wurde. Viele POPs sind zwar schwer flüchtig, doch bei höheren Temperaturen, wie sie zum Beispiel in den Tropen herrschen, verdampfen auch sie allmählich. Mit Luftströmungen werden die Schadstoffe in den Norden transportiert, wo sie kondensieren und als Niederschlag zu Boden fallen. Wenig Sonneneinstrahlung, Kälte und geringe mikrobielle Aktivität sorgen zusätzlich dafür, dass die POPs in der Arktis besonders langsam abgebaut werden.
Die Dauergifte werden von Algen gefressen, die Kleinkrebsen, Larven und Würmern als Nahrung dienen. Mit jedem Glied in der Nahrungskette reichert sich der Schadstoff weiter an. Über die Fische gelangt er in die Robben. Eisbären und Menschen gelten als Endkonsumenten.
So kommt es, dass Inuitbabys über die Muttermilch mit Insektiziden belastet sind, die weit ab von ihrer Heimat versprüht wurden. Im Gewebe von Eisbären fanden Wissenschaftler mit die höchsten Schadstoffkonzentrationen in der Tierwelt. Ein Kilogramm Fettgewebe eines Eisbären enthält durchschnittlich 7,2 Milligramm PCBs, 2 Milligramm Chlordan und 0,19 Milligramm DDE. Polarbären, die Ende der 1990er Jahre auf Spitzbergen untersucht wurden, zeigten so hohe Dioxinwerte, dass eine Beeinträchtigung ihres Immunsystems angenommen wurde.
Exakt nachweisen lassen sich solche Zusammenhänge aber nur selten, da die Wechselwirkungen zu vielfältig sind. Es gibt nur Indizien: So traten Ende der 1990er Jahre bei weiblichen Eisbärbabys auf Spitzbergen 20mal mehr Entwicklungsfehler auf als in Nordamerika. Man beobachtete außerdem eine erhöhte Jungtiersterblichkeit. Wahrscheinliche Ursache: Die norwegischen Tiere mussten eine dreifach höhere PCB-Konzentration verkraften als ihre Artgenossen in Kanada und eine sechsmal höhere als Polarbären in Alaska. Eisbären sind Meeressäuger, was den Ozean schädigt, schädigt auch sie.
Mathias Orgeldinger
Artikel mit Quellenangaben, PDF-Datei (80 KB)
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