Die Wahl des Standortes für den neuen Tiergarten der Stadt Nürnberg am Schmausenbuck war nicht nur wegen der schönen Landschaft mit den Wäldern und Sandsteinfelsen eine glückliche Entscheidung. Die Einbettung in den Nürnberger Reichswald brachte fast von selbst eine hohe Anzahl an einheimischen Tierarten als Zugabe mit in den Zoo, wobei von den meisten Besuchern nur die auffälligen Arten wie Eichhörnchen, Krähen, Amseln, Meisen oder Buchfinken wahrgenommen werden. Für den Naturschutz bedeutsam ist jedoch die hohe Artenzahl an weniger häufigen und schwerer zu beobachtenden Arten.
Aus diesem Grund wurde der Tiergarten Nürnberg im Jahr 2004 gemäß der EU-Vogelschutzrichtlinie (DE 6533-471 „Nürnberger Reichswald“, 38.000 ha) und der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-Gebiet 6532-372 “Tiergarten Nürnberg mit Schmausenbuck“, 613 ha) als Teil des europaweiten Naturschutz-Netzwerkes Natura 2000 von der Naturschutzbehörde bei der Europäischen Union angemeldet. Gut ein Zehntel der bayerischen Landesfläche ist hier erfasst, wobei dabei kein generelles Nutzungsverbot der Flächen besteht, wohl aber ein Verschlechterungsverbot für die zu schützenden Arten. In Managementplänen werden die Erhaltungsziele für die relevanten Arten festgelegt und Vorschläge für die Verbesserung der Lebensräume dargestellt. Die wesentlichen Arten, die den Tiergarten als Teil der Schutzgebiete nahegelegt haben, sind u.a. die Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii , von der seit vielen Jahren leider ein direkter Nachweis fehlt), der Mittelspecht (Dendrocopos medius, 3 bis 6 Brutpaare im Tiergarten) und der Eremit (Osmoderma eremita, an mehreren Alteichen regelmäßig nachgewiesen).
Die Bechsteinfledermaus ist auf strukturreiche offene Wälder, besonders mit Buchen, angewiesen weshalb der Bestand durch Intensivierung der Forstwirtschaft rückläufig war. Die heute verbreitete Einzelbaumentfernung mit Harvestern kann nicht nur für diese Art durchaus hilfreich sein.
Der Mittelspecht hat eines seiner wichtigsten Vorkommen in Franken, weshalb hier die Verantwortung besonders hoch ist, seinen Lebensraum zu schützen. Wie junge Buntspechte hat er eine komplett rote Haube, von diesen aber durch einen blasseren Bürzel und nicht durchgehende Zügelstreifen zu unterscheiden.
Der Eremit oder Juchtenkäfer ist ein seltener, unscheinbarer braun-schwarz gefärbter Käfer, der fast den Umbau des Stuttgarter Bahnhofs verhindert hätte und so erstmals der breiten Öffentlichkeit bekannt wurde. Die Schutzziele für diese drei Arten im Tiergarten betreffen aufgrund deren Lebensweise in erster Linie den Erhalt des alten Baumbestandes, besonders der Eichen und Buchen einschließlich der absterbenden Bäume als Totholz, an deren Anblick sich die Besucher gewöhnen müssen.
Bei der Erhaltung alter Bäume ist neben der Problematik der Verkehrssicherungspflicht im Umgriff der Wege und Gebäude ein spezieller Pilz ein nicht zu unterschätzender „Gegner“. Viele Alteichen und Buchen, auch abseits von Gehegen oder Besuchern sind von dem Schädling der Gattung Phytophtora (= die Panzen vernichtende) betroffen. Ein international anerkannter Spezialist, Dr. Thomas Jung von der Murdoch University (Perth, Australien), empfahl zur Stabilisierung eine Reinigung und Besprühung des unterersten Stammes mit Kaliumphosphit, gewissermaßen eine Düngung und Stärkung der Immunabwehr. Bei den nicht zu stark befallenen Bäumen war eine klare Verdichtung der Belaubung der Kronen festzustellen. Leider wird eine dauerhafte Behandlung unumgänglich sein, die im Tiergarten realisierbar ist, nicht aber in großen Forstflächen. Der Tiergarten würde ohne Alteichen und -buchen ein anderes Landschaftsbild aufweisen und auch vielen, auf diese Strukturen angewiesenen Tierarten, keinen Lebensraum mehr bieten.
Eine weitere Maßnahme zur Förderung des Altbaumbestandes ist laut Managementplan die Empfehlung, besonders vitale Bäume im dichten Wald etwas freizustellen, um für die nächsten Generationen große Solitärbäume zu erhalten, die den erwähnten Arten zugutekommen. Das Nachpflanzen der entsprechenden Arten, wie auf der Wiese vor dem Raubtierhaus oder im Gehege der Dybowski-Hirsche sind weitere, hoffentlich wirksame Maßnahmen.
Die Erfassung der bestehenden einheimischen Artenvielfalt im Tiergarten bringt erhebliche Schwierigkeiten mit sich. Während die Wirbeltiere ziemlich genau erfasst sein dürften, klafft bei den Wirbellosen noch eine große Lücke. Die Einzeller, die vielfältigen Stämme der Würmer, die Spinnentiere oder Krebse sind so gut wie nicht erfasst. Die Vielfalt an Insekten ist im vorderen Bereich des Tiergartens durch die Arbeit von Dr. Manfred Kraus, dem ehemaligen Direktor des Tiergartens und von Dr. Klaus von der Dunk speziell bei einigen Ordnungen sehr gut erfasst. Obwohl wichtige Ordnungen wie Libellen, Schrecken oder Wanzen sicherlich nur lückenhaft erfasst sind, ergaben die Sammlungen innerhalb von zwei Jahren (1989/1990) nach der Auswertung fast 3.000 Arten. Zu den Kuriosa darf man unter den Insekten durchaus den Nashornkäfer (Oryctes nasicornis) zählen, wenn er hin und wieder zwischen den Nashörnern unterwegs ist. In den als Bodeneinstreu eingesetzten Holzhäckseln haben während der vorherigen Lagerung im Freien die Käfer ihre Eier abgelegt, sind die Engerlinge herangewachsen und haben sich verpuppt. Eines Tages schlüpfen dann die Käfer, manchmal auch im Dickhäuterhaus.
Die Funde von Hirschkäfern (Lucanus cervus), den größten einheimischen Käfern, sind jedes Mal ein Grund zur Freude, da sie sehr selten geworden sind. Besonders die Männchen mit Ihren großen Zangen sind so auffällig, dass sie von den meisten Menschen auch erkannt werden.
Zurück zu den Wirbeltieren. Hier sind neben den Arten, die sich hier vermehren natürlich auch die Arten interessant, die nur zeitweise den Tiergarten aufsuchen, seien es die bei manchen Zeitgenossen unbeliebteren Vögel wie Kormorane, die hier in größerer Zahl den Winter verbringen, oder seien es spektakuläre Gäste wie ein Rosa Pelikan, der nach seinem Besuch im Tiergarten bis nach Hannover flog oder Blaukehlchen, die über Wochen im Bereich der Weiher zu sehen waren. Umherwandernde Säuger wie Waschbär oder Marderhund, die deutschlandweit auf dem Vormarsch sind, wurden im Tiergarten glücklicherweise noch nicht gesichtet, obwohl sie im Großraum Nürnberg bereits nachgewiesen wurden. Von der Situation in Tiergarten mit vielen Stallungen und Futterquellen sind die Siebenschläfer, die aber aufgrund ihrer nächtlichen Lebensweise von Besuchern so gut wie nie wahrgenommen werden können.
Manche Reptilien, wie Kreuzotter oder Schlingnatter werden aufgrund ihrer niedrigen Dichte nur sehr selten, aber über all die Jahre hinweg regelmäßig beobachtet. Unter den Amphibien sind seltene Einzelnachweise des Feuersalamanders eine Besonderheit, obwohl sie von dem berühmten Nürnberger Maler und Forscher Rösel von Rosenhof an den Hängen des heutigen Schmausenbuck vor über 250 Jahren noch regelmäßig beobachtet wurden. Insgesamt sind auf der Fläche des Tiergartens 40 Arten Säugetiere, 140 Arten Vögel (davon 62 Arten als Brutvögel), 6 Arten Reptilien und neun Arten Amphibien (drei Arten im Rahmen eines Wiederansiedelungsprojektes angesiedelt) nachgewiesen worden. Listen aller Wirbeltierarten, die im Tiergarten vor und nach der Jahrtausendwende bestimmt wurden, sowie spezielle Literatur zu verschiedenen Tiergruppen, sind am Ende des Artikels als Download für jeden Interessierten verfügbar.
Die Erfassung der Tierarten kann durchaus spannend sein. So tauchte ein Paar Trauerschnäpper zur Brut in einem Nistkasten am Betriebshof auf, das Männchen war beringt. Nach der Meldung an die Vogelwarte kam die Gegenmeldung, dass dieser Vogel als Halsbandschnäpper in der Gegend von Stuttgart beringt wurde. Des Rätsels Lösung war vermutlich, dass dieser Vogel Nachkomme eines Hybridpaares war, dessen einer Elternteil eindeutig als Halsbandschnäpper identifiziert und der Nachwuchs deshalb als Halsbandschnäpper beringt wurde. Aus diesem schwäbischen Bereich sind inzwischen mehrfach Vermischungen der zwei Arten bekannt geworden.
Eine Sensation war das Auftauchen des oben erwähnten Rosa Pelikans, der für einige Tage Gast im Tiergarten war. Wenig später konnte dieser Vogel, der wegen einer starken Geschwulst am rechten Fuß individuell erkennbar war, erneut bei Hannover gesichtet werden. Ein Abwandern aus dem eigentlichen Verbreitungsgebiet kann für Tiere fatal enden, hilft den Arten andererseits aber beim Besiedeln neuer Lebensräume. So flogen im Juni 1768 über 130 Rosa Pelikane aus Südosteuropa am Bodensee ein.
Auch Silberreiher tauchen im Tiergarten seit Jahren als Gäste auf, die in der hiesigen Region inzwischen sogar als Brutvogel nachgewiesen wurden. Die Ausbreitung des Schwarzstorches nach Westen führte zu Besuchen von Vögeln dieser Art im Tiergarten, wobei ein Vogel über Tage hinweg versucht hat, sich in die Partnerschaft des Brutpaares von Weißstörchen auf der Eiche im Gehege der Gelbrückenducker zu drängen.
Die Einwanderung von Wildschweinen oder Rehen wurde durch den neuen Außenzaun weitgehend verhindert. Bei Füchsen ist dies deutlich schwieriger, da diese auch tagsüber durch offene Tore gehen. Besonders während der Großbaustellen von Aquapark, Raubtierhaus und Lagune kam es zu vermehrter Einwanderungen, da die Baustellenzufahrten morgens und abends in den Wintermonaten auch in der Dämmerung und Teilen der Nacht offen stehen mussten.
Neben allgemeinen großräumigen Veränderungen des Artenspektrums in Bayern, die auch den Tiergarten betreffen, sind auch kleinräumige Veränderungen durch Umgestaltung des Zoos erfolgt. Der durchnässte Bereich des heutigen Kinderzoos, wo vor einigen Jahrzehnten noch Waldschnepfen gebrütet haben, ist jetzt wesentlich trockener und zeigt inzwischen einen lockeren Baumbestand mit sonnigen Bereichen, wo heute regelmäßig Zauneidechsen zu finden sind. Der große Erdwall südlich des Manatihauses und der Lagune bietet Reptilien und anderen wärmeliebenden Tier- und Pflanzenarten einen neuen Lebensraum, dessen Besiedelung noch Gelegenheit für vielfältige Beobachtungen geben wird.
Aufrichtiger Dank für die Mitteilung der nachgewiesenen Wirbeltierarten gilt besonders folgenden Mitarbeitern des Tiergartens: Anton Gauckler, David Koppatz, Dr. Manfred Kraus, Ralf Kreitmaier, Dr. Peter Mühling, Oliver Pürkel, Angela Ruppert, Uwe Wittmann, Harriet Wolter, Winfried Ziehr, sowie dem Mitglied des Vereins der Tiergartenfreunde Rainer Klemke und den externen Spezialisten, wie Herrn Klaus Brünner, Bettina und Detlef Cordes, Udo Pankratius, und Jürgen Schmidl.