Meilenstein bei der Rehabilitation eines Franciscana-Delfins – Unterstützung durch Tiergarten
Er zählt zu den kleinsten und am stärksten gefährdeten Delfinarten der Welt: der Franciscana-Delfin, auch La-Plata-Delfin genannt. Bei einem in...
Der Eisbär ist das größte lebende Landraubtier der Erde. Er steht am Ende der Nahrungskette und wird daher oft als „König der Arktis“ bezeichnet. Im Polarlicht betrachtet ist er jedoch ein König ohne Land und Volk, ein Eremit der Packeiswüste, die von Wind und Strömung nach Belieben zerteilt, zerrissen und zusammengepresst wird.
Die einzelgängerische Lebensweise seiner Hauptnahrung, der Ringelrobbe, zwingt auch den Bären in die Einsamkeit. Da das Nahrungsangebot übers Jahr recht ungleich verteilt ist, muss er oft monatelang fasten. Wenn der Hunger zu groß wird, kann es bei beiden Geschlechtern zu Kannibalismus kommen.
Jäger haben immer wieder beobachtet, dass junge oder schwache Eisbären von starken gejagt, getötet und gefressen wurden. Da die Weibchen deutlich kleiner als die Männchen sind, werden sie wohl häufiger zu Opfern. 2006 berichteten erstmals Forscher der US-Wissenschaftsbehörde Geological Survey (USGS) von drei Kannibalismusfällen, die sie auf Futtermangel zurückführten. Sie fanden die Leiche einer Bärenmutter, die von einem Männchen aus ihrer Schneehöhle gerissen und teilweise aufgefressen wurde. An anderer Stelle entdeckten sie einen Bären, der gerade ein Junges fraß, das er vermutlich ausgegraben hatte.
Besonders aufschlussreich war der angefressene Kadaver eines Weibchens auf Herschel Island, einer kanadischen Insel in der Beaufortsee. Die Spuren im Schnee ließen den Schluss zu, dass ihr Jungtier entkommen konnte. Der Bär hatte es also nicht speziell auf den Nachwuchs abgesehen, sondern tötete aus Hunger.
Biologen werden hellhörig, wenn von der Attacke eines erwachsenen Männchens auf ein hilfloses Jungtier berichtet wird. Nicht weil sie dieses Verhalten für gestört oder gar unmoralisch halten, sondern weil Kindstötung bei einer großen Anzahl von Säugetieren bis hin zum Gorilla vorkommt.
Jedes Individuum strebt den größtmöglichen Fortpflanzungserfolg an. Das Verhalten scheint genetisch vorgezeichnet, weshalb die Forscher von Gen-Egoismus sprechen. Nicht die Erhaltung der Art, sondern der GenEgoismus, die Weitergabe eigener Erbanlagen, ist die treibende Kraft im Tierreich. Wenn ein Männchen fremde Jungtiere, die noch gesäugt werden, tötet, wird das Weibchen in kurzer Zeit wieder paarungsbereit. Auch bei Eisbären: Ein Weibchen, das seine Jungen verliert, kommt noch im selben Frühjahr in die „Hitze“. Bei erfolgreicher Aufzucht liegt das Geburtenintervall dagegen bei mindestens drei Jahren.
Aus der Sicht der Bärin sieht die „Rechnung“ allerdings ganz anders aus. Sie hat ihre Gene bereits vervielfältig und will ihren „Erfolg“ nicht gefährden. Daher machen Bärinnen mit Jungen stets einen großen Bogen um geschlechtsreife Männchen. Das Männchen kann sich natürlich auch eine kinderlose Sexualpartnerin suchen, weshalb die Gefahr der Kindstötung in der Theorie größer ist als in der Praxis. Im Freiland ist es sowieso schwer nachzuweisen, ob ein Junges aus Hunger oder Gen-Egoismus getötet wurde. Eines ist jedoch sicher: Erwachsene männliche Eisbären stellen eine permanente Gefahr für die Jungen dar.
Abgesehen von der innigen Beziehung zwischen Mutter und Kind, sind Eisbären eher ungesellig. Trotzdem trifft man immer wieder auf Gruppen von Bären, die zu bestimmten Zeiten friedlich zusammenleben. So sammeln sich Eisbären am Strand, wenn im Sommer das Eis der kanadischen Hudson Bay schmilzt. Da sie in dieser Jahreszeit weder um Beute noch um Sexualpartner konkurrieren, können sich die Tiere von ihrer geselligen Seite zeigen. Das bleibt aber eine Ausnahme.
In der Regel gehen sich Eisbären außerhalb der Paarungszeit aus dem Weg. Bei Begegnungen verhalten sie sich gleichgültig. Manchmal sieht man mehrere Tiere, die gemeinsam an einem gestrandeten Wal fressen. Bei Anwesenheit eines starken Männchens oder zunehmender Nahrungsknappheit kann die Gleichgültigkeit jedoch schnell in Aggression umschlagen.
Vor allem während der Paarungszeit von Ende März bis Ende Mai kommt es zu heftigen Kämpfen zwischen erwachsenen Männchen. Waffen für diese Kämpfe sind vor allem die Eckzähne. Im Verhältnis zur Kiefergröße gesehen sind die Eckzähne der Männchen länger als die der Weibchen. Da beide Geschlechter auf die gleiche Weise jagen, lassen sich solche Unterschiede nur mit der Konkurrenz zwischen den Männchen erklären: Bären mit starken und langen Eckzähnen gewinnen mehr Rivalenkämpfe als andere. So entsteht ein Selektionsdruck, der kräftige Eckzähne begünstigt.
Geschlechtsunterschiede sind im Tierreich weit verbreitet, sie haben verschiedene Ursachen und Funktionen. Bei den Eisbären sind die Männchen deutlich größer und schwerer als die Weibchen, obwohl dies bei der Jagd auf flinke Robben eher von Nachteil ist. Dieser Sexualdimorphismus, wie Biologen den anatomischen Unterschied zwischen Männchen und Weibchen nennen, findet sich bei Säugetieren überall dort, wo die Tiere nicht in Einehe leben bzw. sich das Männchen mit mehr als einem Weibchen paart. Der aufmerksame Beobachter kann allein aus dem Vergleich der Körpergröße gewisse Rückschlüsse auf das Sozialsystem einer Tierart ziehen.
Eisbärinnen ziehen in ihrem Leben nur durchschnittlich fünf Jungtiere groß. Da die Jungen etwa zweieinhalb Jahre bei der Mutter bleiben, steht pro Jahr nur etwa ein Drittel der Weibchen für die Paarung zur Verfügung, was den Konkurrenzdruck unter den Männchen weiter verschärft. Weibchen paaren sich mit vier bis fünf Jahren erfolgreich, doch ob der erste Wurf groß wird, steht auf einem anderen Blatt. Männliche Tiere werden etwa mit fünf bis sechs Jahren geschlechtsreif. Allerdings können sie sich gegenüber älteren Männchen in der Regel noch nicht durchsetzen, so dass ihr tatsächliches Fortpflanzungsalter wohl bei acht bis zehn Jahren liegt. Dann sind sie ausgewachsen. Die Konkurrenz unter den Männchen wird auch dadurch verstärkt, dass jedes Weibchen höchstens vier Wochen empfängnisbereit ist. Im Zoo wurden Zeitspannen von nur acht bis 23 Tagen beobachtet.
Eisbären leben polygam, sie bevorzugen die „Mehrehe“. Trotzdem können sich in der Bärzeit, wie die Fortpflanzungsperiode genannt wird, Paare bilden, die allerdings nur wenige Tage zusammenbleiben. Das Männchen hält dann nach einer anderen Partnerin Ausschau. Manchmal ziehen einzelne Weibchen aber auch einen Tross von bis zu sieben Männchen hinter sich her. Ob sich die Bärin dabei mit verschiedenen Männchen einlässt oder am Ende den Stärksten bevorzugt, ist noch nicht ausreichend erforscht.
Eisbären kopulieren mehrfach hintereinander. Wissenschaftler vermuten, dass der Eisprung erst durch eine bzw. mehrere Paarungen ausgelöst wird. Die Männchen besitzen einen etwa 20 Zentimeter langen Penisknochen, der eine Koitusdauer von zehn bis 40 Minuten erlaubt. Möglicherweise werden die Weibchen mit Hilfe des Penisknochen so stimuliert, dass der Eisprung einsetzt. Das befruchtete Ei „wartet“ im 64-Zellstadium am Ende des Eileiters. Erst wenn die Weibchen ausreichend Fettreserven gebildet haben, um die Schwangerschaft und die Kräfte raubende Stillzeit zu überstehen, nistet es sich im September/Oktober in die Gebärmutter ein.
Mathias Orgeldinger
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