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Am Vormittag wechselnd bewölkt bei 10 Grad, auch nachmittags ist es dann heiter... Wettervorhersage

Überleben in der Arktis (IV) Überhitzung

Polarbären ertragen Temperaturen von bis zu –50°C. Ein ruhender Eisbär behält seine Körpertemperatur von 37°C, selbst wenn die Luft­temperatur bei – 37°C liegt. Die bis zu elf Zenti­meter dicke subkutane Fettschicht, die fünf Zentimeter dicke Unter­wolle des Winterpelzes, bei dem je­der Quadratzentimeter Haut mit etwa 1.500 Haaren besetzt ist, und die bis zu 15 Zentimeter langen Deckhaare isolie­ren hervorragend. Aber so­bald sich das Tier län­gere Zeit bewegt oder gar rennt, fehlt der Reißver­schluss.

Es mag verrückt klingen, aber die Gefahr zu überhitzen ist für einen Eisbären größer als die der Unterkühlung. „Alle Säugetiere, die mehr als zehn Kilo­gramm wie­gen und ein dichtes Fell tragen, haben das Problem, wie sie ihre Wärme loswerden“, sagt Professor Gerhard Heldmaier, vom Institut für Tierphysiologie der Universität Marburg. Die Muskel­energie wird nur zu 40 Pro­zent in Be­wegung umge­setzt. Der Rest ist Wärme. Und die muss raus.

Stellen wir uns vor: Das Thermometer zeigt –20°C an. Solange der Eisbär mit vier Kilometer pro Stunde umher trottet, ist alles im grünen Bereich. Doch schon bei sieben Stundenkilometern steigt seine Körpertemperatur auf 39°C. Mit anderen Worten: Der Bär hat Fieber.

Die Tiere „wissen“ um ihr Handikap, und deshalb haben Langstreckenläufer wie Rentiere und Karibus auch wenig zu befürchten. Bei großen, schweren Männchen ist das Verhältnis von Körpermasse zur wärmeabgebenden Kör­peroberfläche besonders „ungünstig“. Sie überhitzen sehr schnell, weshalb ihnen Weibchen und Jungtiere meist leicht entkommen können.

Ganz hilflos sind die Polarbären dem Phänomen der Überhitzung allerdings nicht ausgeliefert. Wie jedes Säuge­tier können auch sie die Haare dicht an die Haut anlegen, die isolierende Luftschicht verringern und so die Wärmeab­gabe erleichtern. Außerdem wird das Blut mit Hilfe eines Gegenstrom-Wärmeaustauschers gekühlt, bevor es ins Gehirn strömt. Das raffinierte „Kühlgerät“ ist bei allen Mitgliedern der Bärenfamilie „eingebaut“: Dünnwandige Arte­rien an der Schä­del­basis geben die Wärme an Venen ab, bevor die hohen Temperaturen in der „Schaltzentrale“ Schaden anrichten können.

An den Schulter­blättern und zur Rückenmitte liegt direkt unter der Haut (Epidermis) eine gut durchblutete Muskel­schicht, die bei großen Eisbären eine Ausdehnung von 0,46 Quadratme­tern erreicht. Mit Hilfe dieser „Klimaanlage“ kann das Blut bei Be­darf gekühlt wer­den. Auch über die Schnauze, die Nase und die Pfoten kann der Eisbär über­schüssige Wärme ab­geben. Bei großer Anstren­gung hechelt er wie ein Hund.

Freilandforscher sind der Auffassung, dass sich Eisbä­ren bei Hitze nicht wohl fühlen. Ian Stirling spricht sogar von Hitzestress. An der Südwest­küste der Hudson Bay können die Temperaturen im Som­mer über 30°C erreichen. Die großen starken Männchen suchen dann windgeschützte Kaps auf, kleine Männ­chen und Weibchen zieht es ins Landesinnere. Um sich ab­zukühlen, baden die Tiere in Seen, legen sich in den nassen Sand oder graben bis zu fünf Meter tiefe Höh­len, bis sie den Permafrostbo­den erreicht haben. In diesen  „summer dens“ sind sie vor der Hitze und ste­chenden Insekten sicher. 

Mathias Orgeldinger