Tiergarten NürnbergHome

in Nürnberg
Bis zum Mittag regnet es teilweise recht stark, auch zum Nachmittag ist es mit... Wettervorhersage

Überleben in der Arktis (I) Tiergeografische Regeln

„Mr. Scott, Energie!“ Man muss kein Crewmitglied des Raumschiffs Enterprise sein, um zu verstehen, wie sich Le­bewesen durch Zufuhr von Energie „verwandeln“. Wech­selwarme Tiere müssen ihren Tagesrhythmus der Umge­bungstemperatur anpassen. Vögel und Säugetiere sind auf den ersten Blick weniger umwelt­abhängig. Dennoch: Die Art und Weise, wie ihr Kör­per mit Wärmeenergie haushal­tet, bestimmt nicht nur ihren Lebensraum, sondern auch ihr Aussehen und ihr Ver­halten. An kaum einem ande­ren Tier kann man diese Ab­hängigkeit so gut studieren, wie am Eis­bären.

Mit seinem Körpergewicht, der Form von Ohren und Schwanz sowie der Dicke und Farbe seines Fells folgt der Polarbär gleich vier tiergeografischen Regeln. Sie erlauben Rück­schlüsse auf die Klimaregion, in der eng verwandte Tierarten beheimatet sind.

Die Bergmannsche Regel (Größenregel) besagt, dass Vögel und Säuger in kälteren Regionen größer und schwe­rer werden als in warmen Gegenden (Bsp.: Der Zwergpin­guin aus Neuseeland ist der kleinste, der Kaiserpinguin aus der Ant­arktis ist der größte Ver­treter der Pin­guine; der eu­ropäi­scher Braunbär ist deutlich kleiner als der Eisbär). Der Grund liegt im Wärmeaustausch mit der Um­gebung. Je größer das Körpervolumen, desto klei­ner ist seine wärme­abstrahlende Oberfläche im Ver­gleich zur energieerzeu­genden, energie­speichernden und meist gut isolierten Kör­permasse.

Nach der Regel von Allen (Proportionsregel) haben gleichwarme Tiere, die in kälteren Regionen zuhause sind, kürzere Ex­tremitäten, Ohren und Schwänze als ihre Ver­wandten in warmen Gegenden (Bsp.: Die Länge der Ohren nimmt vom Wüstenfuchs über den Rotfuchs bis zum Po­larfuchs ständig ab; der Große Panda hat deutlich längere Ohren als der Eisbär). Lange Körperanhänge haben eine größere Oberfläche und geben somit mehr Wärme ab als kurze und gedrungene Formen.

Nach Wilsons Regel besitzen Säugetiere aus kalten Klimazonen ein deutlich dickeres (d.h. dichteres) Fell als ihre Verwandten, die näher am Äquator le­ben. (Bsp.: Die Felldichte bei Wölfen und Kojoten nimmt mit der geografi­schen Breite zu, Eisbären haben ein dichte­res Fell als alle anderen Bärenarten).

Die Regel von Gloger (Färbungsregel) sagt vor­aus, dass Vögel und Säuger aus hohen Breiten ein helle­res Fe­derkleid oder Fell besitzen als verwandte Arten, die unter stärkerer Sonneneinstrahlung leben. Dunkle Pigmente bie­ten mehr Schutz vor den gefährlichen UV-Strahlen, die in Äquatornähe am stärksten sind. Auf der anderen Seite er­lauben helle Haare, dass die wärmenden Sonnen­strahlen tief in das Fell eindringen können.

Die tiergeografischen Regeln werden jedoch auch kon­trovers diskutiert. Nicht immer bestätigen Ausnahmen die Regel. Oft ist es schwer nachvoll­ziehbar, welche Ein­fluss­größe letztlich für das Erscheinungsbild eines Tieres ver­antwortlich ist. Die weiße Fellfarbe des Eis­bären ist si­cher weniger der Thermoregulation als dem Tarneffekt ge­schul­det.

Mathias Orgeldinger